Ablehnung der Bundestags-Wahlbeschwerde lässt gruseln

Ulrich Wiesner dokumentiert auf seinen Webseiten die nun offiziell veröffentlichte Begründung für die Ablehnung der Wahlbeschwerde wegen des Einsatzes von Wahlcomputern. Während der Innenminister derzeit öffentlich argumentiert, dass die Computerinfrastruktur allerorten von Terroristen bedroht ist, meint der Bundestag in Berufung auf eine Beurteilung eben jenes Innenministeriums, man solle einfach vertrauen, dass die Wahlcomputer nach oberflächlicher Begutachtung durch inkompetentes Personal schon richtig funktionieren. Ulrich Wiesner zitiert aus der Begründung:

Es existiere „keine rechtliche Beschränkung der Öffentlichkeit der Wahl mit Wahlgeräten“, weil der öffentliche Zugang zum Wahlraum gewährleistet sei und die Wahlhandlung sowie die Stimmauszählung auch bei der Wahl mit Wahlgeräten öffentlich stattfinde (S.19). „Im Spannungsfeld des Prinzips der geheimen Wahl und des Öffentlichkeitsgrundsatzes“ sei es „hinnehmbar, dass beim Einsatz rechnergesteuerter Wahlgeräte nicht jeder Teilakt des Stimmenregistrierungsverfahrens für Jedermann transparent ist“. Es gehöre „zu den Besonderheiten der fortschreitenden Technisierung, dass von der Funktionsfähigkeit der eingesetzten Systeme ausgegangen wird, wenn sie vor ihrem Einsatz in einem speziellen Verfahren geprüft worden“ seien. (S.20)

Die Hervorhebungen sind von mir.

Mit anderen Worten: der Bundestag empfiehlt den Bundesbürgern unhinterfragt einfach die Scheisse zu fressen, die ihnen die Behörden vorsetzen. Man soll einfach glauben, dass alles prima ist. Das Überprüfen der Mächtigen steht nur den Mächtigen zu. Na prima. Für wie doof halten die uns eigentlich?

Mein lieber Bundestag: so einfach kommt ihr uns nicht weg. Wir haben keinen Bock, uns von Maschinen beherrschen zu lassen. Kann ja sein, dass wir zu viel Terminator gesehen haben. Wenn ich mir aber anschaue, wie andere Staaten Hollywood-Horrorszenarien unschuldig pfeifend in die Realität umsetzen möchten, halte ich meine Empörung und Beunruhigung über ein solches Verhalten nicht zurück. Wenn ihr glaubt, dass ihr uns die Scheisse so einfach vor den Latz knallen könnt, empfehle ich schon mal die Anschaffung neuer Winterkleidung.

Dieses Blabla mit „wir können es uns nicht vorstellen“ und „nach heutigem Stand der Technik ist alles prima“ und was nicht alles: steckt es Euch irgendwohin, aber haltet bitte den Rand. Als ob einer von Euch Fatzkes vor fünfzehn Jahren in der Lage gewesen wäre, „E-Mail“ richtig zu schreiben oder auch nur im Ansatz seine Bedeutung richtig einzuschätzen. Technik ändert sich, und sie ändert sich permanent. Präsentiert mir einen anerkannten Security Experten da draussen, der bereit wäre auf ein elektronisches System seiner Wahl zu zeigen und zu bestätigen, dass eine unvorhergesehene Manipulation dieses Systems unmöglich sei, und ich halte das Maul. Aber ihr werdet keinen finden, weil keiner so blöd ist, seine Reputation aufs Spiel zu setzen.

Allein dieser Kasperkram, die Wahl hätte ja nicht manipuliert werden können, weil der öffentliche Hack ja erst ein Jahr später stattfand! Ich ringe nach Luft: wer denkt sich bitte so einen Schwachsinn aus? Werden Leute, die solche Beurteilungen abgeben bezahlt?

Schon mal auf die Idee gekommen, dass sich jemand schon vor Jahren (die Geräte werden seit 1999 eingesetzt) einen der NEDAP-Programmierer geschnappt, ihn umfangreicht bekokst, benuttet und begeldet hat und die Backdoor schon lange im Code liegt? Ach, das könnt ihr ausschliessen? Und wie bitte schliesst ihr das aus? Weil ihr dann schon was gemerkt hättet vielleicht oder Euch das nicht vorstellen könnt? Ich bitte Euch, das kann ja wohl unmöglich der Maßstab sein. Vielleicht bin ich ja auch nur paranoid. Aber ihr wisst ja: nur weil ich paranoid bin heißt das noch lange nicht, dass Ihr nicht hinter mir her seid. Und es Eure verdammte Pflicht, meine Zweifel auszuräumen.

Es gibt aber noch weitere Highlights in Ulrichs Ausführungen. Ich bitte ums Lesen und die Unterstützung seiner nun anstehenden Verfassungsklage. Wir werden ja sehen, ob das Verfassungsgericht auch der Meinung ist, dass das mit der Öffentlichkeit der Wahl so ein Detail auf Verordnungsebene ist oder ob es sich hier nicht doch zufällig um die Grundlage unseres demokratischen Systems handelt.

10 Gedanken zu „Ablehnung der Bundestags-Wahlbeschwerde lässt gruseln

  1. Oh. Mein. Gott.
    Die haben jawohl den Knall nicht gehört. Wenn ich das hier lese, dann kribbelt es mich doch direkt in den Fingern, den tollen Politikern mal recht klar zu schreiben, was ich von solchen selbsternannten(!!) Sachverständigen halte. Vielleicht würde es ja mal helfen, wenn man mal echte unabhängige und vereidigte Sachverständige befragen würde, bevor man solche Aussagen von sich gibt.

  2. Pingback: mactobias

  3. Pingback: /* basquiat's lovely winter riot */

  4. Wichtig ist das die Verfassungsklage juristisch gut geprüft ist. Ich denke das die Gegenseite auf Formfehler spekuliert und somit das Verfahren erschweren kann.
    Zur Finanzierung könnte man eine Spendenseite im Netz erstellen.

    Ein guter Titel zu dieser News wäre auch „Politiker wollen sich in Zukunft also doch lieber selber wählen“ :P

  5. Endlich mal ein Artikel dem man die Emotionen in der Diskussion anmerkt. Tim hat einfach zu 100% recht und für mich wird immer offensichtlicher, daß man in Politikerkreisen die Problematik Wahlcomputer nicht verstehen WILL.

    Da wird dem Bürger sehenden Auges seine letze Möglichkeit der Einflussnahme genommen und keiner macht was…

    Auch die „Minority Report“ Geschichte ist prima. Was soll den armen Menschen eigentlich geschehen, die auf dieser Liste landen? Gefängsnis?, Gehirnwäsche?,… Für mich scheint es dabei auch nicht um Gewalttäter, sondern um „unerwünschte“ Gesinnungen zu gehen.

    Tim, falls eine Revolution geplant ist: ICH BIN DABEI!

  6. Wird eigentlich nicht langsam Zeit sich zuradikalisieren?

    Man sollte vielleicht zeigen, dass die Macht vom Volke ausgeht und nicht von den Politkern. Die Politiker sollten uns fürchten und nicht wir die Politiker.
    Ich wäre auch dabei.

  7. Revolution – schön und gut, ich wäre aber eher für Evolution. Bin halt gegen Gewalt, und denke auch, dass das derzeitige System modifiziert und angeeignet werden könnte. Die zurgundeliegende Idee an sich ist mE ja nicht schlecht, sondern eher dessen Umsetzung bzw die Realität der Theorie. Wie der zweite Mitdenker schon sagt, die Macht sollte wieder reel vom Volke ausgehen. Oder anders: die Politik sollte wieder die Interessen der Menschen/Gesellschaft statt die des Marktes/Wirtschaft vertreten. Ganz einfach ;-)
    Oder was wären denn Eure Ideen, ihr revolutionären Mitdenker?

  8. Einerseits alle Computersicherheitsprobleme herunterreden, andererseits die jederzeitige „verdachtsunabhängige“ (Wort des Jahres?) Kontroll- und Überwachungsmöglichkeit des gemeinen PC-Volkes bis dann sowas dabei raus kommt:
    http://rhein-zeitung.de/on/06/12/08/news/r/trojaner.jpg

    Achja, und die einheitliche und lebenslange Registriernummer für den Bundesbürger steht ja auch schon vor der Tür…

    Hmmm, bleibt nur noch Art.20(4)GG, Auswandern oder Revolution!

  9. Pingback: RA-Blog » Wahlcomputer: 44 Beschwerden zurückgewiesen

  10. Pingback: kaitimmer.de » Blog Archive » Wahlcomputer und Bundesverfassungsgericht

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.